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AIESEC setzt sich nicht nur für kulturellen Austausch ein und ermöglicht Auslandsabenteuer — die größte Studierendenorganisation ist viel mehr als das. 

Diese Erfahrung machte auch Feli, AIESEC Alumni aus Berlin. Lest selbst, wie Feli vom Mathestudium zu Anti-Diskriminierungsworkshops kam und wie sie ihren Beitrag für eine offenere Bevölkerung leistet. 

 

Passion for Impact! So erlebte Feli ihren Studienanfang

Ich erinnere mich noch genau an die Stimmung in meiner ersten Vorlesung. Ich war damals 18 Jahre alt und bin voller Tatendrang direkt nach meiner Schule nach Berlin gezogen, um Mathematik zu studieren — etwas, von dem ich dachte, dass es meine größte Leidenschaft werden würde. 

Die erste Vorlesung begann an einem Montagmorgen mit etwa 300 Studierenden — durch den großen Andrang saßen viele nicht nur auf dem Boden und auf den Treppen, sondern auch vor der offenen Hörsaal-Tür in den Gängen, um sich heute gemeinsam mit Analysis zu beschäftigen. Ich hatte mir einen der wenigen Sitzplätze gesichert, meinen Block ausgepackt und war bereit in mein neues Abenteuer zu starten. 

 

Berlin war für mich eine komplett fremde Stadt zu diesem Zeitpunkt. Ich kannte niemanden und so ungern ich es zugeben wollte, hatte ich in den zwei Wochen vor dieser Vorlesung nicht einen einzigen sozialen Kontakt in irgendeiner Form. Ich hatte keine Freunde hier, keine Menschen, die ich besser kannte. 

Für den Rest der Woche hatte ich schon angefangen, Dinge zu planen, um auf der einen Seite Menschen kennenzulernen, aber auch um mich in irgendeiner Form ehrenamtlich zu engagieren. In meiner Heimat war ich jahrelang in einer politischen Jugendgruppe und auch sonst viel sozial aktiv und das wollte ich hier in Berlin unbedingt fortführen.

 

Der erste Kontakt mit AIESEC

In dieser Vorlesung sollte ich die Chance dazu bekommen. Bevor wir uns der Analysis widmeten, gab es eine Hörsaalansprache durch drei Personen einer Studierendenorganisation — jedoch hatte ich bei “Wirtschaft” aufgehört zuzuhören. Erst als meine Sitznachbarin mich fragte, ob ich denn auch zum Infoabend gehen würde, entschloss ich mich, dem Ganzen eine Chance zu geben. Tatsächlich — so peinlich das klingen mag — nicht aus tieferen Gründen, sondern weil mich in dem Moment zum ersten Mal in meiner Zeit in Berlin ein Mensch gefragt hatte, ob ich etwas unternehmen möchte. 

Ich hatte keine Ahnung, dass diese Entscheidung mein komplettes Leben ändern sollte. 

Eine Woche später war der Infoabend — meine Sitznachbarin sah ich dort zwar nicht mehr, aber ich fühlte mich durch die Idee von AIESEC irgendwie direkt angesprochen. Ich wollte Dinge tun, irgendwas bewegen, aktiv werden und die handlungsorientierte Vision und die praktischen Aufgaben bei AIESEC überzeugten mich sofort. Ich ging durch Bewerbungsgespräche und nur einen Monat später war ich als neues Mitglied auf meiner ersten AIESEC-Konferenz. 

 

Die erste Vorstandswahl: Feli's erste Führungsposition in AIESEC

Sieben Monate nach meinem Beitritt in das Lokalkomitee der Berlin TU mit seinen über 100 aktiven Mitgliedern bewarb ich mich für den Vorstand des Komitees im kommenden Jahr. An diesem Punkt war ich bereits auf zehn Konferenzen gewesen und hatte mich tief eingearbeitet, sowohl in mein konkretes Team als auch in die generellen Strukturen. 

Ich fühlte mich unglaublich bereit für meine neue Aufgabe. An einem warmen Frühlingsabend sollte ich dann diese Wahl gewinnen und so begann meine Vorbereitungsphase auf eine der anspruchsvollsten Aufgaben, die ich mir bis dahin je vorgenommen hatte.

 

In einer idealen Welt würde ich nun über meine wundervolle Reise und meine großen Erfolge nach dieser Wahl berichten. Ich würde gerne davon erzählen, dass wir ein großartiges Vorstandsteam gefunden hatten und unser Komitee durch eine wundervolle Zeit führen konnten. Die Wahrheit ist: Ich war nicht bereit für den Job

Ich hatte weder genug Wissen noch genug Führungsfähigkeiten, um einen Vorstand aus sieben Personen und ein Komitee bestehend aus über 100 Personen zu leiten. Sieben Monate nach Beginn meiner Zeit als Vorstandsvorsitzende gab ich meinen Job auf. Eine meiner Vizepräsidenten — meine Expertin für Finanzen — übernahm die Aufgabe und brachte Dinge besser zu Ende als ich es je gekonnt hätte.

 

Eine andere Welt von AIESEC erkunden

Die Wahrheit ist jedoch auch, dass das nicht das Ende meiner Zeit bei AIESEC war — ganz im Gegenteil. Während meiner Zeit als Vorstandsvorsitzende hatte ich an einem Seminar teilgenommen, bei dem mir beigebracht wurde, wie man Workshops und Seminare leiten könnte und von dem ersten Tag dieses ersten Seminars an wusste ich, dass ich das den Rest meines Lebens machen würde. 

In den nächsten Monaten begann ich mehr und mehr Workshops und Seminare für AIESEC zu trainieren. Ich fuhr zuerst durch ganz Deutschland, dann durch ganz Europa und schlussendlich bis nach Tokio, um auf den zahlreichen Konferenzen von AIESEC meine Workshops zu halten. Ich begann Konferenzen mitzuorganisieren, plante Abläufe und organisierte die einführenden Konferenzen für neue Mitglieder. Ich fand meinen Platz und ich fand etwas, das ich nicht nur gut konnte, sondern mit dem ich meinen Beitrag leisten konnte.

 

Feli in Tokio
Hier bin ich in Tokio mit den lokalen Komitees von AIESEC Japan

Workshops
Und hier bin ich in Wien auf einem Seminar für verschiedene AIESEC-Mitglieder aus unterschiedlichen Ländern.

Im April 2014 — etwa zwei Jahre nach Beginn meiner Zeit bei AIESEC — kam dann noch eine weitere Dimension dazu. Auf einer der emotionalsten Konferenzen auf der ich je war, fand mein queeres Coming-Out statt.

2016 fand meine Zeit bei AIESEC so langsam ihr Ende — ich hatte noch ein Jahr in einem Team für AIESEC in Estland gearbeitet und war bereit, so langsam aus der Organisation auszuscheiden. Am Ende sollten es fast 100 Konferenzen sein, die ich mit AIESEC in acht verschiedenen Ländern besucht hatte. Hin und wieder gab ich noch Workshops für die lokalen Komitees in meiner Stadt verabschiedete mich jedoch vom regulären Alltagsgeschäft bei AIESEC.

Nach AIESEC jetzt aktive Aufklärung

Damit begann dann jedoch auch die aufregendste Zeit meines Lebens. Nachdem ich mehrere Jahre lang Workshops und Seminare in einem AIESEC-internen Kontext anbieten konnte, kam nun durch eine zufällige Gelegenheit die Möglichkeit auf, meine Workshops für einen sozialen Zweck in meiner Uni einzusetzen. Im Juni 2016 gab ich die ersten Anti-Diskriminierungsworkshops meines Lebens. Zunächst nur vereinzelt, doch nach nur zwei Jahren wurde aus diesen vereinzelten Workshops ein wirkliches Projekt.

 

CSD 2016
Hier bin auch auf dem CSD in Berlin. Ab 2016 bewegte ich mich deutlich mehr in der queeren Szene.

 

Heute in 2021 habe ich dieses Projekt in meinen Lebensinhalt verwandelt. Aus einer einmaligen Anfrage wurde “Transformational Tomorrow” — mein persönliches Aufklärungsprojekt und Beitrag zu “Living Diversity” (Einem der zentralen AIESEC-Werte). 

Mittlerweile fanden im Rahmen dieses Aufklärungsprojekt über 150 Workshops statt, die von insgesamt über 2.500 Menschen besucht wurden. Aus Workshops, die sich ausschließlich an Studierende richteten, wurden Seminare für die Verwaltungen von Museen, für politische Gruppen oder für Krankenhausleistungen. Mein persönlicher Beitrag für ein besseres Morgen und für eine bessere Welt für queere Personen.

 

Workshops
Heute finden meine Workshops in den verschiedensten sozialen Einrichtungen überall in Deutschland statt.

AIESEC: Zeit des Lernens

Ich schaue oft auf meine Zeit bei AIESEC zurück. Viele Erinnerungen sind positiv — meine erste Konferenz oder meine Zeit in Tokio — und manche Erinnerungen sind schmerzhaft — mein fürchterlicher Streit mit meiner Vorstandskollegin bevor ich meine Aufgaben niederlegte. 

Ich habe viel richtig gemacht und viel falsch gemacht. AIESEC war für mich eine Zeit des Lernens — vielleicht sogar mehr als ich mir manchmal eingestehen möchte. Es war die Zeit, in der ich gelernt habe, wo meine Grenzen liegen, aber auch wo ich meine Grenzen noch nicht im Ansatz erreicht hatte. Es war die Zeit, in der lernte, was wichtig für mich ist.

Vor AIESEC hatte ich immer Lust, etwas zu bewegen — Hauptsache irgendwas. Mittlerweile weiß ich, was ich tun möchte. Ich habe heute eine konkrete Vision einer besseren Welt, an der ich selbst Tag für Tag mitarbeiten kann. Ich habe ein Ziel.

AIESEC hat mir viele Fertigkeiten mit auf den Weg gegeben. Die Ausbildung, die ich erfahren habe für das Leiten von Workshops und Seminaren ist der Kern meiner Arbeit heute. Aber vielmehr als das hat AIESEC mir einen Raum gegeben, in dem ich reflektieren konnte, wer ich sein will, was ich tun will und wie ich das tun will. 

 

Und all das, weil ich mich mit meiner Sitznachbarin im Hörsaal anfreunden wollte.


Feli hat Mathematik studiert und ist am Ende einen ganz anderen Weg eingegangen. Mit ihrer täglichen Arbeit trägt sie einen wertvollen Beitrag zur Aufklärung bei. Danke Feli, für all dein Engagement und deinen ehrlichen Artikel!

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